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Gekommen, um zu bleiben? Vier LEH-Trends aus der COVID-Ära

Mai 4, 2021 4 min

Die Coronakrise zwang Unternehmen, schnell auf ein verändertes Geschäftsumfeld zu reagieren. Dabei entstanden spannende Innovationen. Auch wenn viele Unternehmer ihre geschäftlichen Aktivitäten wahrscheinlich wieder auf den alten Kurs zurücksteuern, wenn sich das Leben normalisiert: Einige bringen hoffentlich den Mut auf, ihre Experimente fortzuführen.

In meinem letzten Beitrag ging es um JD.com und dessen frühe Onlineversuche während der SARS-Epidemie 2003. Manche Ideen erschienen damals zunächst ineffizient. Springen die Kunden jedoch darauf an, existiert langfristiges Potenzial.

Heute beschäftige ich mich mit vier beachtenswerten Trends für Lebensmitteleinzelhändler. Welche davon für die Branche wirklich relevant sind, wird sich noch zeigen. Aus ihnen können jedoch in den nächsten Jahren langfristige Wachstumsmöglichkeiten werden.

1. Lebensmittel als Marktführer im Onlinehandel

Weil sie mehrmals wöchentlich gekauft werden, sind Lebensmittel mit ihrer hohen Einkaufsfrequenz eine Besonderheit im Einzelhandel. Auch sind sie eine der wenigen Kategorien, bei denen die Lieferung nach Hause gegenüber der „Click-und-Collect“-Option bevorzugt wird. Bei dieser Vielzahl von Lieferungen nach Hause könnten andere Onlinebestellungen mit nur geringen Mehrkosten gemeinsam mit Lebensmitteln versandt werden. Investiert Amazon deshalb eifrig in seine Food-Sparte? Ist der Hintergedanke, die Einkaufsfrequenz zu erhöhen und somit größere Volumen umzusetzen, was die Effizienz der Lieferungen erhöhen würde?

Zumindest haben einige On-Demand-Lieferservices wie Instacart, DoorDash, Lieferando und Wolt bereits eine ganze Bandbreite anderer für den Einzelhandel bestimmter Produkte in ihre Lieferpalette aufgenommen.

2. Kochboxen mischen den Markt auf

Kochboxen, die manche bereits abgeschrieben hatten, waren dabei, zu einer Nischenkategorie des LEHs zu werden. Die COVID-Pandemie änderte das jedoch schlagartig. HelloFresh, der weltweit größte Anbieter im Bereich Kochboxen, konnte seinen Umsatz 2020 mehr als verdoppeln.

Größter Vorteil des Kochbox-Modells: Es ist betrieblich effizienter als der gewöhnliche E-Food-Handel. Allerdings auch nicht so breit und unmittelbar wie das Angebot traditioneller Supermärkte.

Üblicherweise sind die sogenannten „Disruptors“ – extrem innovative Unternehmen, die vorhandene Strukturen aufmischen – Nischenplayer. Ihre Marktnische bedienen sie jedoch effizienter als etablierte Akteure. Diese innovativen Unternehmen werden für gewöhnlich von den etablierten ignoriert, denn sie decken nur einen Teil der Kundenbedürfnisse des Marktes ab. Um dieses Handicap auszugleichen, weiten einige Kochbox-Anbieter ihr Angebot aus und verkaufen nun auch Lebensmittel im Allgemeinen.

Die Effizienz des Kochbox-Modells und die hervorragende Datenqualität, die mit dem direkten Kundenkontakt einhergeht, könnten Kochboxen zu einer spannenden Option für einige Unternehmen entlang der Lebensmittel-Wertschöpfungskette machen. Eine FMCG-Marke könnte beispielsweise wertvolle Informationen und Kundendaten durch den Erwerb eines Kochbox-Geschäfts erlangen.

3. Marken unterwegs in eigener Sache

Einige große FMCG-Marken wie Pepsi, Heinz, Heineken und Nestlé setzten im vergangenen Jahr verstärkt auf eine Strategie des Direktvertriebs an die Endverbraucher.

Die Motivation dahinter ist nicht, selbst Umsatz zu erzeugen und mit dem LEH als Vertriebskanal zu konkurrieren. Vielmehr geht es darum, ein tieferes Verständnis des Kundenverhaltens zu gewinnen. In Zukunft werden diese Marken keine Studien bemühen müssen, um Kunden-Insights zu erlangen: Die relevanten Daten sammeln sie bequem über ihre eigenen Kanäle.

Auch die Markenbindung profitiert von dieser Strategie. Spannend wird die weitere Entwicklung der FMCG-Direktkanäle sein: Wird eine Marke sich als eine Art Apple oder Nike erweisen und über den Direktkanal einen signifikanten Teil ihres Gesamtumsatzes erzielen? Letztendlich verbucht jenes Unternehmen den Kundenkontakt, auf dessen Benutzeroberfläche der Kontakt stattfindet. Dieses Unternehmen bestimmt auch den Ton der Shopper-Erfahrung und kann die detailliertesten Kundendaten sammeln.

4. Gastronomen erweitern kreativ ihr Angebot

Von der COVID-Pandemie am härtesten getroffen war in der Lebensmittelbranche die Gastronomie. Umsätze brachen plötzlich weg und zwangen viele Restaurants zu innovativen Vorstößen jenseits von Lieferservices. Neue Modelle waren beispielsweise der Verkauf von Produkten in LEH-Filialen, die Zusammenstellung von Kochboxen anhand der eigenen Speisekarte und, besonders interessant, der Verkauf von Zutaten an Kunden.  

Mit diesen Angeboten schufen die Restaurants zusätzliche Einnahmequellen. Zudem fanden sie dadurch neue Wege, den Bedürfnissen ihrer Gäste umfangreicher zu entsprechen. Dass die Gastronomie sich in den letzten dreißig Jahren einen zunehmend größeren Anteil der Summe im Portemonnaie der Verbraucher sichert, ist Lebensmitteleinzelhändlern nicht entgangen. Viele Supermärkte mit gehobenem Sortiment bieten ihren Kunden deshalb mittlerweile verzehrfertige Gerichte wie Pizza, Sushi und Salate an.

So wildert der LEH bei Restaurants, doch diese könnten es ihm gleichtun. Große Restaurantketten beziehen hohe Abnahmemengen von Lieferanten: Aufgrund der Quantität könnten sie Zutaten zu günstigen Preisen beziehen. Der Verkauf von Zutaten würde den Wert der Kundenbeziehungen und die Kauffrequenz steigern: Das würde wiederum die Beschaffungskosten senken.  

Die Restaurantkette Just Salad betreibt ein Fast-Casual-Konzept (Systemgastronomie, bei der der Fokus neben schneller Zubereitung auch auf ansprechendem Ambiente liegt. In Deutschland wurde die Vapiano-Kette mit dieser Idee bekannt). Just Salad ist Vorreiter der Fast-Casual-Innovation. Die Kette kombinierte ihre verschiedenen Angebote unter einer Marke, „Housemade“: Dort können Kunden Fertiggerichte, Kochboxen und Lebensmittel kaufen. Mit dieser Strategie erhöht Just Salad die Chance, breitere Bedürfnisse seiner Kunden rund um das Thema Essen abzudecken.

Man darf gespannt sein, ob mehr Unternehmen in den Lebensmittelverkauf drängen, und mit welchen Ideen. Traditionelle Supermärkte verkaufen Lebensmittel seit Jahrzehnten mehr oder weniger nach dem gleichen Modell (nur Sortimentsgröße und Filialformat variieren). Restaurants, Kochbox-Anbieter und FMCG-Marken werden sich dem Lebensmittelgeschäft auf andere Weise nähern. Dabei entstehen neue Konzepte und Geschäftsmöglichkeiten, um Kunden zu erreichen und für sich zu gewinnen.

Beitrag von

Arhi Kivilahti

Retail Strategy Consultant bei Ada Insights